Das Recht auf Einsicht in die eigene Patientenakte (Teil 1)
Manchmal braucht es jemanden, der einen sachte anschubst – und man setzt ein Vorhaben fort, das man irgendwann einmal aufgegeben hat. So ging es mir nach der Veranstaltung mit Malte Spitz und Prof. Caspar Anfang Februar. Hatte ich doch vor Jahren aus einer professionellen Neugier heraus auch schon mal einen Anlauf genommen, bei verschiedenen Unternehmen das Recht auf Auskunft über die über mich gespeicherten Daten in Anspruch zu nehmen. Doch in dem ganzen alltäglichen Trubel einer berufstätigen Alleinerziehenden mit noch recht kleinen Kindern fehlte mir das Durchhaltevermögen, das es für eine ernsthafte Verfolgung des Rechts auf Einsicht in die eigenen Daten braucht.
Aufgeben zählt nicht
„Aufgeben ist keine Option“, sagte Malte Spitz sinngemäß und dass man ja Schritt für Schritt verfahren könne – nicht gleich 50 Unternehmen auf einmal anschreiben und um Auskunft bitten, sondern nach und nach, immer eins nach dem anderen. Ein zweiter „Anschubser“ kreuzte in Gestalt einer langjährigen, chronisch kranken Mandantin meine Wege, die Einsicht in ihre Patientenakten nehmen wollte und mich für dieses Vorhaben um Hilfe bat. Inzwischen bei ganz stabiler Gesundheit wollte sie sich ein vollständiges Bild über ihre Krankengeschichte der letzten Jahre verschaffen. Auf diese Weise war dann auch meiner Faulheit eine Grenze gesetzt … konnte ich doch das Vorhaben im Auftrag meiner Mandantin nicht einfach aufgeben.
Ein besonderer Fall von § 38 BDSG
Das Recht auf Einsicht in die eigene Krankenakte ist eine besondere Form der datenschutzrechtlichen Auskunftserteilung, wie sie in § 38 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) niedergelegt ist.
„Das Recht auf Akteneinsicht zählt zu den zentralen Datenschutzrechten der Patienten“,
schreibt der Berliner Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit auf seinen Webseiten. Und weiter:
„Es ist Grundlage für die Kenntnis des eigenen Gesundheitszustandes und für die Bewertung der Behandlung und damit Voraussetzung für die Wahrnehmung der medizinischen Selbstbestimmung und des medizinischen Rechtsschutzes“.
So hat jede Patientin, jeder Patient grundsätzlich das Recht, Einsicht in die sie oder ihn betreffende ärztliche Akte zu nehmen und sich selber ein Bild über die dort erfassten Details zu Anamnese, Diagnose und Therapie zu machen.
Ganz grundsätzlich betrachtet ergibt sich dieser Anspruch aus dem Recht auf Selbstbestimmung und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Patienten. Darüber hinaus regelt aber auch § 630g des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) einen Anspruch auf Einsicht in die eigene Patientenakte und ggfls. die Herausgabe einer Kopie, der nur für den Fall versagt werden kann, dass „erhebliche therapeutische Gründe“ oder „sonstige erhebliche Rechte Dritter“ der Einsichtnahme entgegenstehen. Unter bestimmten Umständen gilt dieses Einsichtsrecht sogar über den Tod des betroffenen Patienten hinaus für die Angehörigen (§ 603g Abs. 3 BGB). Ebenso ist in den Berufsordnungen der Ärztekammern und Zahnärztekammern das Recht der Patienten auf Einsicht in ihre Akte und das Zur-Verfügung-Stellen einer Kopie derselben festgeschrieben (vgl. z.B. § 10 Abs. 2 der Berufsordnung der Hamburger Ärztinnen und Ärzte).
Keine Begründung erforderlich
Schon der Wortlaut dieser Vorschriften macht deutlich, dass das Recht auf Einsicht in die Patientenakte besteht, ohne dass dafür ein besonderes Interesse erklärt, nachgewiesen oder sonst eine Begründung für den Wunsch geliefert werden müsste.
Zusammen mit der Mandantin wählte ich für einen ersten Versuch drei verschiedene Abteilungen im Hamburger Universitätsklinikum-Eppendorf (UKE) aus, in denen sie jeweils in Behandlung bzw. zu Untersuchungen gewesen war. Diese Ereignisse lagen zum Teil schon ein paar Jahre zurück; wir rekonstruierten die Monate und Jahre, sie unterschrieb eine Vollmacht und ich schickte drei Schreiben raus, mit denen ich Namens und im Auftrag meiner Mandantin um die Übersendung von Kopien ihrer Patientenakte bat.
Für eine bessere Abwicklung eines solchen Akteneinsichtsgesuchs ist es wichtig, den Wunsch nach Auskunft direkt an die jeweilige Abteilung zu richten, in der die Behandlung stattgefunden hat. Dies jedenfalls dann, sofern es sich um ein Krankenhaus oder eine größere Praxis handelt. Ebenso ist es wichtig, die näheren Umstände der Behandlung zu beschreiben, wenn dies für eine vollständige Antwort auch keine zwingende Voraussetzung ist. Je größer die Klinik oder Arztpraxis ist, desto schwieriger oder gar unmöglich wird es, die Krankengeschichte einer „Frau Doris Schröder“ zu finden, wenn außer dem Namen keine weiteren Angaben zur Person gemacht werden.
Auch Kopien
Die Art und Weise, wie die Einsicht in die Patientenakte genau geschieht (Ort und Zeit), kann das Krankenhaus oder die Ärztin / der Arzt vorgeben. Wir haben statt der Einsicht in die Originalakte um die Zusendung von Kopien oder Ausdrucken gebeten, was nach den gesetzlichen Vorgaben grundsätzlich möglich ist. Zwar besteht kein Anspruch auf Zusendung solcher Kopien, aber es besteht der Anspruch, dass diese im Krankenhaus oder in der Arztpraxis bereitgehalten werden und von der Patientin oder einem Bevollmächtigten abgeholt werden können. Eventuell entstehende Kosten hat der anfragende Patient zu übernehmen.
Die Briefe mit den Auskunftsersuchen waren abgeschickt und wir warteten einigermaßen gespannt, ob und welche Antworten eintreffen würden. Den Fortgang sowie weitere Hintergründe zum Recht auf Einsicht in die eigene Patientenakte erfahren Sie demnächst an dieser Stelle.