Zeit für ein neues Datenschutzrecht
Alle meine nächsten Nachbarn, mit denen mich ein langes freundschaftliches Verhältnis verbindet, werden in diesem Jahr 60 – damit trennen uns knapp 15 Jahre, die ich jünger bin. Bei einer der Parties anlässlich eines 60. Geburtstages saß ich kürzlich inmitten einer Runde dieses Alters, als zwei Männer ihre iPhones zückten. Ahhhh, diese neue Technik! Was so ein iPhone alles könne, wurde geschwärmt und die jeweils installierten Apps verglichen – um gleich im nächsten Satz zu ergänzen: Mit der Nutzung so eines Gerätes sei man ja gleichzeitig komplett überwacht. Die Männer stellten das fest, in etwa wie man feststellt, dass es morgen Regen geben wird.
Allgegenwärtige Überwachung
Wie ich denn als Profi mit den Überwachungsmöglichkeiten umgehen würde, fragte mich eine der anwesenden Frauen, die die Unterhaltung belustigt verfolgten. Ich streue meine Daten, sagte ich. Ich versuche, nicht einen Anbieter für alles zu nutzen, um eine umfassende Profilbildung an einer Stelle zu erschweren. Private Mails an einer Stelle, berufliche an anderer. Sparsame Äußerungen in Sozialen Netzwerken. Bestimmte Funktionen nutze ich gar nicht: Fotos sind bei mir auf der Festplatte gespeichert, nie in der Wolke. Manche Funktionen schalte ich nur ein, wenn ich sie brauche, so z.B. die Ortungsfunktion im iPhone. Nutzung von Pseudonymen. Ob’s nützt? Ich weiß es nicht. Aber fest steht auch, ich bin schon lange fasziniert von technischen Möglichkeiten und gedenke nicht, das Problem der allgegenwärtigen Überwachung durch umfassenden Verzicht zu lösen.
Eine Eins ist eine Eins
Einmal mehr widersprach ich im Verlauf der Unterhaltung der These, dass wir den Datenkraken ausgeliefert seien, weil die neuen technischen Möglichkeiten eben nicht zu reglementieren seien. Sicher – Technik ist immer schneller als das Recht. Ich staune jedes Mal wieder, wie diejenigen unter meinen Kunden, die Softwareentwickler sind, innerhalb kürzester Zeit Funktionen programmieren, von denen sie vor zwei Tagen noch nicht einmal wussten, dass es diese Funktionen geben kann. Die Grundlagen der Programmierung – eine Eins ist eine Eins und eine Null ist eine Null und darauf lässt sich alles weitere aufbauen – sind einfacher und schneller zu handhaben als ein Parlament, dass sich über Gesetze Gedanken machen muss.
Ein langer Prozess
Sicher ist jedoch, gerade die großen Monopolisten wie Google, Facebook und Co. müssen durch das Recht und die Durchsetzung des Rechts zur Einhaltung bestimmter Standards gezwungen werden. Zu denen gehören in erster Linie Transparenz und Wahlmöglichkeiten in Bezug auf den Umgang mit unseren persönlichen Daten. Es ist eine Frage der Zeit, bis das geschehen wird. Erste Ansätze sind in dem Vorschlag der EU-Kommission für eine europaweite Datenschutzverordnung vorhanden. Google’s neue Datenschutzerklärung allerdings zog hingegen erstaunlich wenig öffentlichen Protest nach sich.
Google‘s neue Datenschutzerklärung
Google hat gerade wieder vorgemacht, wie es nicht sein sollte. Gab es bisher für die verschiedenen Google-Dienste verschiedene Datenschutzerklärungen, wurden diese jetzt in einer einheitlichen zusammengeführt. Das wäre im Grunde gar keine schlechte Idee, doch mit der Vereinheitlichung wurde die Ankündigung verbunden, die Nutzerdaten aus unterschiedlichen Diensten zu einen einheitlichen Nutzerprofil zusammen zu führen. Selbstredend nur zum Wohle der Nutzer: “We’ll treat you as a single user across all our products, which will mean a simpler, more intuitive Google experience”, schreibt die Datenschutzbeauftragte von Google in der Ankündigung der Änderungen. „Mich erinnern solche Aussagen immer an Mielke vor der Volkskammer“, kommentierte mein Kollege kürzlich diese Nachrichten. „Ich liebe euch alle!“.
Die USA sind aufgewacht
Wenn ich mich richtig erinnere, stammt dieses Zitat aus einer Zeit, als Mielke schon längst verloren hatte, was man von Google zurzeit nicht ernsthaft behaupten kann. Wenn auch die Sache mit der Zusammenführung der Daten aus den verschiedenen Google Diensten unter kaum vernehmbarem Protest installiert wurde, sind doch die USA langsam aufgewacht und begreifen, dass es Europa ernst ist mit einem modernen Datenschutzrecht und dass dieses Recht möglicherweise unangenehme Folgen für sie haben könnte. Anders ist die Meldung nicht zu deuten, dass die USA in Gestalt ihres obersten Juristen im US-amerikanischen Wirtschaftsministerium ihre Mitwirkung bei der Neuregelung gefordert haben.
Dass Mielke verlieren würde, hat lange Zeit auch niemand ernsthaft geglaubt. Manche Veränderungen brauchen also etwas länger und früher oder später wird Google dasselbe Schicksal ereilen – voraussichtlich nicht in Form des Untergangs, aber doch dergestalt, dass sich kein großer Datenmonopolist ungestraft eine Datenschutzerklärung wird leisten können, die mehr verschleiert als erklärt. Beispielsweise.
Quellen zum Thema:
(1) http://www.spiegel.de/netzwelt/netzpolitik/0,1518,811359,00.html
„Datenschützer empfiehlt Streubesitz“
(2) http://googleblog.blogspot.com/2012/01/updating-our-privacy-policies-and-terms.html
Google Blog am 24.1.12
(3) http://www.spiegel.de/netzwelt/web/0,1518,818105,00.html
„Googles neuer Daten Schmu“
(4) http://futurezone.at/netzpolitik/7754-eu-kommission-google-verstoesst-gegen-eu-gesetz.php
EU Kommission: Google verstößt gegen EU-Gesetz
(5) http://futurezone.at/produkte/7719-eric-schmidt-niemand-muss-google-nutzen.php
Eric Schmidt: „Niemand muss Google nutzen“
(6) http://www.datenschutz.de/news/detail/?nid=5287
USA wollen beim EU-Datenschutz mitreden