Google gegen Facebook – Ungleicher Kampf im sozialen Netz
Quelle: Handelsblatt,19.07.2011
Die Hacker-Gruppe Anonymous will ein soziales Netzwerk starten. Fürchten muss Platzhirsch Facebook die Plattform der Anonymen nicht. Ein anderer Konkurrent könnte dem Zuckerberg-Imperium schon eher gefährlich werden.
DüsseldorfNach Google startet nun auch die Hacker-Gruppe Anonymous ein eigenes soziales Netzwerk. Das Netzwerk Anonplus soll im Gegensatz zu Facebook und Google+ anonym und ohne jegliche Zensur genutzt werden können. Nachdem das Profil von Anonymous bei Google+ gelöscht wurde, entschlossen sich die Hacker, selbst zur Tat zu schreiten – mit einem Netzwerk, das künftig auch normalen Nutzern offen stehen soll.
Eine echte Gefahr für die Facebook-Dominanz ist das natürlich nicht, ebenso wenig wie das nicht-kommerzielle Diaspora-Projekt. Einzig Google+ wird derzeit eine realistische Chance eingeräumt, das Quasi-Monopol von Facebook mittelfristig brechen zu können. Der Suchmaschinengigant hat in der Vergangenheit bewiesen, dass er sich auch gegen starken Widerstand durchsetzen kann – zuletzt beim Projekt Google Street View.
Dabei sah es lange so aus, als könne dem Platzhirschen bei den sozialen Netzwerken niemand mehr Konkurrenz machen. Die einst zahlreichen Facebook-Konkurrenten – vom deutschen Klon StudiVZ bis zum international ehemals großem MySpace – wurden nach und nach in die Ecke gedrängt.
Schon zehn Millionen Nutzer bei Google+
Google+ hingegen konnte schon in den ersten Wochen nach dem Start viele experimentierfreudige Nutzer gewinnen. Bei der Vorstellung der jüngsten Quartalszahlen präsentierte Google erstmals Zahlen: Demnach hat Google+ bislang zehn Millionen Nutzer gewinnen können – angesichts des Starts vor wenigen Wochen und einer immer noch laufenden Testphase ein Achtungserfolg.
Auf Augenhöhe mit Facebook ist Google+ damit noch lange nicht: Mehr als 750 Millionen Nutzer haben sich dort inzwischen weltweit angemeldet. Doch immerhin ist Googles zweiter Anlauf ins soziale Web schon deutlich erfolgreicher als der erste Versuch mit dem glorreich gescheiterten Netzwerk Google Buzz.
Der Erfolg hat gute Gründe. Denn anders als bei Buzz, das als technisch kompliziert galt und in ungünstiger Weise mit anderen Google-Diensten verwoben war, hat der Suchmaschinenriese mit Google+ tatsächlich ein Defizit von Facebook erkannt und auf sehr elegante Weise gelöst.
Facebooks Problem: Alle Freunde sind gleich
Denn bei Facebook sind alle Freunde gleich. Für das Teilen von Informationen auf der Pinnwand des Facebook-Profils wird das zum Problem, wenn sich unter den Freunden Personen befinden, die nicht unbedingt alles wissen sollten. Der eigene Chef braucht ja nicht unbedingt die Bilder von der letzten feucht-fröhlichen Party zu sehen – um nur ein Beispiel zu nennen.
Bei Google+ ist dieses Problem durch die Circles (Kreise) gelöst: Die eigenen Bekannten werden einfach in frei benennbare Circles sortiert, denen unterschiedliche Zugriffsfreiheiten auf die eigenen Daten eingeräumt werden können. Der Nutzer behält so die Freiheit, Nachrichten, Bilder oder Links mit der gesamten Öffentlichkeit oder nur mit bestimmten Circles zu teilen.
Männliche Programmierer dominieren Google+
Doch trotz aller Euphorie der Anfangsmomente, Google+ ist längst noch nicht in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Das belegen zum Beispiel Zahlen der Website SocialStatistics, wonach 86,8 Prozent der bei Google+ angemeldeten Nutzer Männer sind. Konkurrent Facebook spiegelt mit einer fast ausgeglichen Geschlechterquote die Nutzer-Wirklichkeit im Internet deutlich genauer wider.
Auch bei den Berufen der Google+-Nutzer zeigt sich die Schieflage: Laut einer Analyse der Website FindPeopleOnPlus sind 60 Prozent der Nutzer Programmierer. Kein Wunder also, dass das Internet voll von Nachrichten rund um Google+ ist – die breite Masse der Web-User hat der Konzern damit noch lange nicht in sein Netzwerk gelockt.
Noch muss Facebook den Konkurrenten also nicht direkt fürchten. Zumal der Netzwerkeffekt für den Platzhirschen spricht: Je größer das Netzwerk, desto größer auch die Wahrscheinlichkeit, dass neue Nutzer genau dorthin gehen, weil sie viele Kontakte finden. Was wiederum das Netzwerk vergrößert und damit die Attraktivität erneut steigert. – Ein Kreislauf, der sich ständig selbst verstärkt.
Natürlich wird Google nichts unversucht lassen, weitere Nutzer in das Netzwerk zu locken. Der frühere Google-Chef Eric Schmidt hatte einst eingeräumt, dass das Unternehmen nicht schnell genug auf die Bedrohung durch Facebook reagiert habe. Sein Nachfolger, Google-Mitgründer Larry Page, hat nun den Aufbau eines sozialen Netzwerks zur Priorität erklärt.
Es geht um Googles Zukunft
Es geht dabei auch um die Zukunft des Online-Werbegeschäfts – ein Markt, den Google mit seiner konkurrenzlosen Suchmaschine praktisch beherrscht. Das Geschäft des soziales Webs ist dabei für Google gleich aus mehreren Gründen wertvoll: Erstens verbringen Nutzer immer mehr Internet-Zeit in sozialen Netzwerken, die damit für Werbekunden attraktiver werden. Laut Zahlen der Marketing-Spezialisten von BTG Digital sind die Preise für Facebook-Werbung zuletzt regelrecht explodiert: Im Laufe des Jahres 2010 stiegen die Umsätze pro Klick um 74 Prozent.
Zweitens sind die Vorlieben, die Nutzer in sozialen Netzwerken preisgeben, für gezielte Werbung von großem Wert. Jüngst berichtete das Fachmagazin „AdAge“, Google arbeite an einem Werbe-System namens DDP, das den Werbekunden erlaube, Online-Werbung zielgerichtet an den Interessen der Nutzer auszurichten.
Darüber hinaus sind die Daten von sozialen Medien aber auch für Googles Kerngeschäft – die Websuchmaschine – extrem wertvoll. So lassen sich Suchergebnisse individuell für einen Nutzer optimieren, wenn dessen Vorlieben anhand der Empfehlungen von Freunden fassbar werden. Microsofts Suchmaschine Bing nutzt für die Suchoptimierung bereits seit längerem Daten von Facebook.
Dass Google dem Konkurrenten aus Redmond diesen Bereich des eigenen Kerngeschäfts nicht kampflos überlassen möchte, leuchtet ein. Danny Sullivan, Suchmaschinenexperte und Chefredakteur des Blogs Search Engine Land, bringt es auf den Punkt: Die Entwicklung eines eigenen sozialen Netzwerks sei für Google eine Art Lebensversicherung.
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