Einsicht in die eigene Patientenakte (2) – Eine Antwort
Die erste Antwort auf die Akteneinsichtsgesuche, die ich für meine Mandantin abgeschickt hatte, traf sehr schnell ein. Die von den Datenschutzbeauftragten teilweise für angemessen gehaltene Frist von einem Monat wurde bei weitem nicht ausgeschöpft. Eine Spezialambulanz für eine seltene, erbliche Erkrankung übersandte nur eine Woche später kommentarlos einen recht umfangreichen Stapel Papier und eine Rechnung: „Diagnose: Angeforderte Kopien der Patientenakte Patientin MVE, geb. am …. Berechnung nach Gebührenordnung für Ärzte … 32,95 EUR für Kopien und Porto, zahlbar innerhalb von vier Wochen“.
Inhaltich mangelhaft
Die Durchsicht ergab hauptsächlich Arztbriefe, die der dort tätige Professor an die Hausärztin meiner Mandantin geschickt hatte, sowie Arztbriefe, die er von anderen Stellen erhalten hatte, bei denen meine Mandantin untersucht oder behandelt worden war. Abgesehen von einem eigenen Untersuchungsergebnis in der Ambulanz waren keine Aufzeichnungen vorhanden, die auf eine Dokumentation der Gespräche zwischen Arzt und Patientin hätten schließen lassen. Dem Inhalt der Akte nach zu urteilen, war meine Mandantin praktisch nicht dort gewesen. So fehlte neben Hinweisen auf mindestens drei Termine jegliche Dokumentation auf ein Gespräch meiner Mandantin mit dem Arzt, das sie deshalb noch im Gedächtnis hatte, weil es eine schlechte Erinnerung war. Zu dem fraglichen Zeitpunkt blätterte der Professor in ihrer Anwesenheit fahrig in ihrer Akte, wusste offenbar kaum, wen er genau vor sich hatte, und hatte dann ihre Fragen mit dem allgemeinen, lapidaren Hinweis „das kommt vor, ist nicht schön aber auch nicht zu ändern“ abgetan. Meine Mandantin war so lange wie diese Begebenheit zurück lag das Gefühl nicht los geworden, dass ihre Therapie einen anderen, eine besseren und einfacheren Verlauf hätte nehmen können, hätte sich der Professor an diesem Tag vor zwei Jahren mehr Mühe mit ihr gegeben.
Das Recht auf Einsicht in die eigene Patientenakte erstreckt sich nach der Rechtsprechung und dem ärztlichen Berufsrecht auf medizinisch objektivierbare physische Befunde und Berichte über Behandlungsmaßnahmen. Der Teil der Dokumentation, der rein subjektive Eindrücke und Wahrnehmungen des Arztes enthält, bleibt danach dem Patienten verschlossen.
Herausnahme rein subjektiver Eindrücke
Sofern also eine Ärztin vermerkt, dass ein bestimmter Patient „sehr wahrscheinlich bekifft oder unter sonstigen Drogen stehend“ in ihrer Praxis erschien, muss sie ihm diesen Teil ihrer Dokumentation nicht zur Verfügung stellen. Ebenso kann im Einzelfall die Einsicht in vorläufige Verdachtsdiagnosen verweigert werden, wenn man nach einer Abwägung der Interessen von Arzt und Patient zu dem Ergebnis kommt, dass die schützenswerten Interessen des Arztes das Informationsinteresse des Patienten überwiegen. Schwierig ist insoweit allerdings, dass der Arzt diese Interessensabwägung vornehmen muss, während er selber – möglicherweise – eigene Interessen verfolgt.
Keine Beschränkung nach BDSG
Bemerkenswert ist, dass das Datenschutzrecht in § 38 BDSG eine solche Einschränkung auf objektive Informationen nicht kennt; sie stellt eine von der Rechtsprechung geschaffene Ausnahme dar. Die datenschutzrechtlichen Ansprüche auf Kenntnis der zur eigenen Person gespeicherten Daten bestehen unabhängig vom ärztlichen Standesrecht und vom BGB, so dass Offenlegung nicht verhindert werden kann, wenn ein Einsichtsgesuch in die Patientenakte auf die datenschutzrechtlichen Vorschriften gestützt wird. Der Berliner Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit schränkt jedoch auch einen auf das Datenschutzrecht gestützten Informationsanspruch mit dem Hinweis ein „ …es sei denn, die subjektiven Aufzeichnungen werden zugleich durch ausdrücklich geregelte Ausnahmeregelungen abgedeckt“. Welche das sein könnten, erwähnt er allerdings nicht.
„Und nun?“, fragte meine Mandantin leise ratlos, als wir dieses erste Ergebnis gesichtet hatten. „Was kann ich jetzt tun?“. Ich empfahl ihr, in einem weiteren Schreiben die fehlenden Teile der Akte anzufordern. Danach könne sie, abhängig von der Antwort, gegebenenfalls weitere Schritte einleiten.