Einsicht in die eigene Patientenakte (4) – ein vorläufiges Fazit
Der Grundsatz der informationellen Selbstbestimmung besagt, dass jeder von uns über den Umgang mit seinen Daten selber bestimmen können soll. Diese Selbstbestimmung setzt im ersten Schritt die Kenntnis der eigenen Daten voraus, die Unternehmen oder – in unserem Fall – Krankenhäusern überlassen wurden. Dies klingt wie eine banale Erkenntnis, aber der Praxistest zeigt, dass die Erlangung des Wissens über die eigenen (Patienten-) Daten mit ein paar Tücken verbunden sein kann.
Ein paar Tücken
Für Geringverdiener dürften schon 72 EUR Verwaltungsgebühren für Kopien und Übersendung zweier Akten ein Grund sein, von der Einsicht in die Patientenakte Abstand zu nehmen. Daneben sind die genaue Kenntnis der eigenen Rechte von Vorteil und die Fähigkeit, beim ersten Widerstand nicht gleich eingeschüchtert aufzugeben. Insofern decken sich meine Erfahrungen mit denen von Malte Spitz, wenn auch der im Auftrag der Mandantin geforderten Akteneinsicht am Ende insgesamt leicht stattgegeben wurde.
Unleserlich
Ernüchternd ist die Erkenntnis, wie wenig sorgfältig einige Ärzte offenbar dokumentieren. Es fanden sich in den Akten inhaltliche Lücken, wie auch handschriftliche Protokolle, die absolut unleserlich waren. Der logisch nächste Schritt wäre gewesen auf einer vollständigen und leserlichen Akte zu bestehen, doch meine Mandantin beschloss nach etwas Nachdenken, dass sie dies nicht tun wollte. Eine unvollständige Auskunft sei auch eine Auskunft aus der man seine Schlüsse ziehen könne.
Will ich das wirklich wissen?
Nachdenklich werden lassen hat mich ein Aspekt am Rande. Die medizinische Sprache wirkt auf Nicht-Mediziner oft grob und kalt. Ich halte von daher die Argumente der Rechtsprechung für nachvollziehbar, dass im Fall der Einsicht in eine psychiatrische Akte der Nutzen für den Patienten sehr genau gegen die möglichen negativen Folgen abgewogen muss, und insbesondere auch dann, wenn die Informationen Dritte aus dem Umfeld des Patienten betreffen. Meine Mandantin steckte die in der Akte ihrer Tochter festgehaltene Charakterisierung ihrer Person als „adipös und überfordert wirkend“ mit einem Lachen weg („Ja, so war ich damals – leider“). Für jemanden, der sich zum Zeitpunkt der Akteneinsicht aber noch in einer seelischen Ausnahmesituation befindet, könnten solche Sätze ungute Folgen haben. Schwierig erscheint mir der dabei sofort aufkommende Eindruck einer paternalistischen, über den Kopf des Patienten hinweg getroffenen Entscheidung durch den Arzt („ich weiß am besten, was gut für dich ist“) – denn diese Entscheidung kann ja dann nur der behandelnde Arzt treffen, und der hat auch eigene Interessen in diesem möglichen Konflikt. Es bleibt zu hoffen, dass Ärzte im Ernstfall die von der Rechtsprechung geforderte sorgfältige Abwägung und Berücksichtigung aller Interessen auch vornehmen. Die Vermittlung im Konfliktfall wäre eine klassische Aufgabe für einen betrieblichen Datenschutzbeauftragten und ich erinnere mich, dass solche Anfragen schon vereinzelt bei uns landeten (die allerdings nicht aus einem Krankenhaus stammten, sondern von Trägern sozialer Arbeit, die Psychiatriepatienten betreuen).
Insgesamt haben die im Namen meiner Mandantin eingeholten Auskünfte neugierig auf mehr gemacht – auf die Frage, welche Daten wohl über meine Person im Umlauf sein mögen. Sobald ich ein wenig Zeit und Muße habe, werde ich diese Frage stellen.